Der Mensch als Bezugspunkt von Moral und Kritik

Religion & Religionskritik

Religionskritik

Religion & Religionskritik

14.3.2012, 19 Uhr

Radio F.R.E.I., Gotthardtstr. 21, Erfurt

Vortrag mit Lars Quadfasel

Eine Reihe des Bil­dungs­kol­lektiv Biko in Ko­ope­ra­tion mit der Rosa-Luxem­burg-Stif­tung, Ar­beit und Le­ben Thü­rin­gen, Falken Erfurt und Ra­dio F.R.E.I.

Kritik der Religion hat es im Spätkapitalismus mit einem Paradox zu tun: Die Kirchen, einst Herrn über Könige und Kaiser, sind zum Hilfsinstitut für Seelenhygiene herabgestürzt. Ihre Dome wurden zu Touristenattraktionen, ihre Prediger zu Showmastern, ihr Papst zum österlichen Grußaugust. Und doch scheint Gott sich als sentimentales Andenken an frommere Tage pudelwohl zu fühlen. Widerlegt, erledigt und entmachtet, hat sich die Religion mit ihrem Sturz nicht bloß arrangiert, sondern daraus neue Kraft geschöpft. Als Sinnressource für die besonderen Momente profitiert sie vom Tabu, dass niemand über die privaten Feierabendvergnügen anderer zu spotten hat. Aus dem zwanghaften Drang, an irgend etwas zu glauben, spricht freilich nichs als der Wunsch nach einem Halt, egal woran: nach unbedingter Autorität. Adorno nannte derartige Pseudoreligiosität, die von Blasphemie kaum zu unterscheiden ist, den "ungeglaubten Glauben". Dessen Bedeutung verfehlt die Mehrzahl derer, die lautstark gegen Kirchentage und Papstbesuche mobil machen. Antiklerikale Aktivisten inszenieren sich als militante Vorhut des allgemeinen Common Sense, während ihre intellektuellen Stichwortgeber, Christopher Hitchens oder Richard Dawkins, den Heiligen Schriften Fehler nachweisen und dabei Religion einmal mehr auf Priestertrug reduzieren. Deren Positvismus stößt sich an dem theologischen Dogma, dass das, was ist, nicht alles ist: an genau dem unbedingten Wahrheitsanspruch also, den der Materialismus zu retten hätte -- vor ungläubigen Pfaffen wie vor gläubigen Atheisten.


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